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Der König unter den Wolken

Durch die laue Abendluft waren allerlei Gesprächsfetzen zu hören. Ein Ehepaar unterhielt sich angeregt über die Unsitten des Freundes ihrer Tochter. Nein, der war natürlich nicht nicht dabeigesessen. Wortfetzen wirrster Art drangen mir entgegen aus ganz anderen Ecken. Zwei ungefähr 18jährige, die mit jedem Bier mehr die Kontrolle über ihre Zunge verloren. Ich richtete meinen Blick an diesem Abend oft in Richtung Rheintal. Mein Standort war ein schön gelegener Campingplatz bei Bad Bellingen nahe Freiburg. Hinter meinem Rücken hat sich der Schwarzwald aufgetan, ich war rund 200 Höhenmeter über dem Rheintal. In der Ferne grüßten die Vogesen nett.

Von den meisten anwesenden, die sich den meist nicht besonders interessanten Themen in angeregten Gesprächen hergaben, tat sich unbemerkt direkt in der Nähe des Kaiserstuhls ein riesiges Gebirge auf, das den sonst lupenrein blauen Himmel majestätisch überragte. Mich erinnerte dies an das Antlitz eines Fuji in Japan oder dem Teide auf Teneriffa, die ich besuchte. Nur dass es sich in diesem Fall an eine riesige Wolke handelte, die zumindest für mich einen herrlichen Anblick bot.

Die Sonne war bereits untergegangen, jedoch konnte ich sehr gut die riesigen Umrisse dieses Cumulonimbus erkennen, der trotz seiner offensichtlichen großen Höhe, in die er aufstieg, vollkommen scharfe Konturen aufwies und zumindest dem Aschein nach nicht vereisen wollte. Das Oberteil der Wolke war noch recht hell von den letzten Lichtstrahlen erfasst, während der Rhein schon ziemlich von der Dunkelheit erfasst war. Noch immer waren es über 25 Grad, Stunden zuvor konnte ich 35 Grad messen und die hohen Taupunkte ließen die meisten Menschen schwitzen.

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Dieses Bild stammt nicht von diesem Abend und ist auch nicht von mir. Es ist von Bernhard Mühr, seine Seite ist www.wolkenatlas.de

Während die wie mit der Schere gezogene scharfe Oberkante dieser Wolke vom letzten Tageslicht noch zu erkennen war, vernahm ich eindrucksvollste Entladungen in allen Teilen der Wolke. Ein warhaft begnadetes Schauspiel der Natur. Ich habe nie vorher eine solche majestätische Wolke gesehen.

Weiterhin schwallten Wortfetzen verschiedener Menschen durch den Campingplatz. "Wenn ich diese Aktien nicht bekomme, muss ich mir in dieser Richtung etwas andres überlegen". Kam dann als Gegenargument, dass man ja nicht soviel Geld hat, um ständig zu investieren. Das war für diese Menschen persönlich der Richtige Ort und Zeitpunkt, dies zu debattieren. Die beiden 18jährigen waren abgezogen mit Bierflaschen in der Hand und einer bateriebetribenen Stereoangage. Ich selbst sonderte mich von meinem ebenfalls zumeist desinteressierten Freunden ab und lief ein wenig die Anhöhen des Schwarzwaldes. Lange in den späten Abend hinein gesellte sich zum friedlichen Grillenzirpen ein schier gespenstisches Flackern, das aus der rund 50 km entfernten Wolke kam.

Bald wurden die Blitze ein wenig seltener und Tau legte sich über das Gras. An diesem Sommerabend im August 1995 sah ich den bisher genialsten Cb, den ich je sah und ich habe ihn nicht fotografiert.

Ich kam vor Mitternacht zum Campingplatz zurück und fand die Gesellschaft im Vergleich zu vorhin recht beruhigt vor. Der Mond schien inzwischen und das Gewitter, das mich aus der Ferne so beeindruckt hat, verging. Ja, die Vergänglichkeit...

Am nächsten Morgen war der Himmel blau und nichts mehr erinnerte an dieses eindrucksvolle Schauspiel des Vorabends. Mir wurde dann zugetragen dass es bei dem Gewitter offenbar gehagelt hat. Nicht dass ich Hagel will...doch ich freue mich auf laue Abende mit subtiler Gewitterstimmung.

 

Marco Puckert, 15.02.2002